Aktuelle Gesetzesänderungen – „Jahressteuergesetz“ 2019

Der Deutsche Bundestag hat Anfang November 2019 das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ beschlossen. Es wird inoffiziell auch als „Jahressteuergesetz 2019“ bezeichnet, da es umfangreiche Inhalte weit über die Elektromobilität hinaus enthält. Auch der Bundesrat stimmte den Neuregelungen am 29.11.2019 zu, so dass das Gesetzgebungsverfahren wie geplant vor dem Jahresende abgeschlossen wurde. Nachfolgend haben wir für Sie die wichtigsten Änderungen aus dem umfangreichen Gesetzespaket zusammengefasst:

Förderung der Elektromobilität

Hinsichtlich der Förderung der Elektromobilität enthält das Gesetz zahlreiche, bis Ende 2030 befristete Regelungen. Teils werden bereits bestehende Maßnahmen verlängert, teils auch neue Maßnahmen ab 2020 eingeführt.

Verringerung der Bemessungsgrundlage für Elektro- und Hybridfahrzeuge

Das Gesetz setzt zum einen die Förderung dienstlicher Elektro- und Hybridfahrzeuge bei der Dienstwagenbesteuerung im Rahmen der 1-%-Regelung fort. Die bereits bestehende Halbierung der geldwerten Vorteile gilt weiter für Anschaffungen bis 2030, allerdings verschärfen sich bei der Anschaffung von Hybridfahrzeugen ab 2022/2025 die Reichweitenvoraussetzungen (derzeit mind. 40 km oder CO²-Emission von höchstens 50 g/km) stufenweise.

Bei der Bewertung der Entnahme für Kraftfahrzeuge, die pro gefahrenen Kilometer keine CO²-Emissionen haben, wird ab 2020 nur noch ein Viertel der Bemessungsgrundlage, d. h. 0,25 % vom Listenpreis berücksichtigt. Diese Regelung gilt aber nur für Kraftfahrzeuge, deren Bruttolistenpreis (reguläre Bemessungsgrundlage) nicht mehr als EUR 40.000 beträgt. Bei Anwendung der Fahrtenbuchmethode sind bei der Ermittlung der insgesamt entstandenen Aufwendungen die Anschaffungskosten oder diesen vergleichbaren Kosten (z. B. Miete oder Leasingkosten) ebenfalls nur zu einem Viertel anzusetzen. Für Elektrolieferfahrzeuge wird mit § 7c EStG für das Jahr der Anschaffung eine Sonderabschreibung eingeführt. Ab 2020 können Unternehmen für neue, rein elektrisch betriebene Lieferfahrzeuge zusätzlich zu den regulären Abschreibungen eine Sonderabschreibung von 50 % steuerlich geltend machen.

Hinweis:
Auch im Bereich der Gewerbesteuer gibt es in konsequenter Fortführung der o. g. Regelungen entsprechende Förderungen. Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung bei Miete und Leasing von Elektrofahrzeugen und bestimmten extern aufladbaren Hybridelektrofahrzeugen sowie Fahrrädern wird bei ab 2020 abgeschlossenen Verträgen ebenfalls halbiert. Inwieweit sich dies bei Unternehmen aber überhaupt auswirkt, ist im Einzelfall zu prüfen. Entgelte für Miet- oder Leasingraten von Fahrzeugen etc. werden lediglich mit einem Viertel von einem Fünftel der Aufwendungen (also einem zwanzigstel Anteil) bei der Gewerbesteuer hinzugerechnet; zusätzlich ist der Freibetrag von EUR 100.000 für alle Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG zu berücksichtigen.

Steuerfreies Jobrad

Die seit 2019 bestehende Steuerbefreiung für die Überlassung (zusätzlicher) betrieblicher Fahrräder oder Elektrofahrräder (§ 3 Nr. 37 EStG) wird ebenfalls bis 2030 verlängert. Daneben erhält der Arbeitgeber ab 2020 die Möglichkeit, geldwerte Vorteile aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übereignung von betrieblichen (Elektro-)Fahrrädern an den Arbeitnehmer pauschal mit 25 % Lohnsteuer zu besteuern. Voraussetzung ist auch hier, dass die Übereignung von betrieblichen Fahrrädern zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erfolgt.

Aufladen von Elektro- oder Hybridfahrzeugen

Die Steuerbefreiung für vom Arbeitgeber gewährte Vorteile für Ladestrom eines Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs beim Arbeitgeber und für die zeitweise zur privaten Nutzung überlassene betriebliche Ladevorrichtung (§ 3 Nr. 46 EStG) wird ebenfalls zeitlich verlängert.

Pauschalierung bei Jobtickets

Arbeitgeberleistungen für Aufwendungen der Mitarbeiter zu den Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, auch wenn sie nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden (z. B. Jobtickets), sind bereits seit 2019 steuerfrei (§ 3 Nr. 15 EStG). Bislang sind diese bei den Arbeitnehmern auf die als Werbungskosten abziehbare Entfernungspauschale anzurechnen. Zukünftig kann der geldwerte Vorteil vom Arbeitgeber auch pauschal mit 25 % besteuert (§ 40 Abs. 2 EStG) werden, wobei dann eine Anrechnung der pauschal besteuerten Zuschüsse auf die Entfernungspauschale unterbleibt.

Sonstige ertragsteuerliche Neuregelungen

Erhöhung der Verpflegungsmehraufwendungen

Die Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen bei Dienstreisen werden ab 2020 von EUR 24 auf EUR 28 pro Tag bei mehrtägigen Dienstreisen und von EUR 12 auf EUR 14 bei einer Abwesenheit ab acht Stunden angehoben. Für Berufskraftfahrer wird ein neuer zusätzlicher Pauschbetrag in Höhe von EUR 8 pro Kalendertag gewährt. Der Pauschbetrag ist für die üblicherweise während einer mehrtägigen beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug des Arbeitgebers entstehenden Mehraufwendungen. Dazu zählen z. B. Gebühren für die Benutzung von sanitären Einrichtungen auf Raststätten und Autohöfen, Park- und Abstellgebühren auf Raststätten und Autohöfen und Aufwendungen für die Reinigung der eigenen Schlafkabine.

Hinweis: Erstattet der Arbeitgeber weniger als die steuerfrei möglichen Verpflegungsmehraufwendungen, kann die Differenz im Rahmen der Veranlagung angesetzt werden.

Einschränkungen bei Sachbezügen und der 44-EUR-Grenze – Prepaid-Karten

Durch die Ergänzung des § 8 Abs. 1 EStG gehören ab 2020 zu den Einnahmen in Geld auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten. Ausgenommen sind (lediglich) Gutscheine und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und nicht im unbaren Zahlungsverkehr eingesetzt werden können. Steuerfreie Zuwendungen mittels Prepaid-Karten sind damit zukünftig zwar nicht per se ausgeschlossen, unterliegen aber engeren Voraussetzungen. Die Kartensysteme sind möglicherweise anzupassen.

Steuerfreie Weiterbildungsleistungen

Weiterbildungsleistungen des Arbeitgebers sollen rückwirkend ab 2019 gesetzlich steuerbefreit werden (§ 3 Nr. 19 EStG). Die Steuerbefreiung gilt auch für Weiterbildungsleistungen, die der Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit des Arbeitnehmers dienen (z. B. Sprachkurse oder Computerkurse, die nicht arbeitsplatzbezogen sind).

Bewertungsabschlag bei Mitarbeiterwohnungen

Der Ansatz eines lohnsteuerpflichtigen Sachbezugs für eine Wohnung unterbleibt, soweit das gezahlte Entgelt mindestens zwei Drittel des ortsüblichen Mietwerts beträgt und dieser nicht mehr als EUR 25 je Quadratmeter ohne umlagefähige Kosten beträgt.

Beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer

Eine Änderung in § 39 Abs. 3 EStG ermöglicht, beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer ab 2020 in das Verfahren der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale einzubeziehen. Gleichzeitig werden sie auch in den Lohnsteuerjahresausgleich einbezogen. Da dieser Personenkreis in Deutschland regelmäßig aber nicht meldepflichtig ist, kann die für den Abruf der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale erforderliche steuerliche Identifikationsnummer nicht auf Veranlassung der Meldebehörde zugeteilt werden. Deshalb muss der Arbeitnehmer selbst die Zuteilung der steuerlichen Identifikationsnummer beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers beantragen. Er kann auch den Arbeitgeber dazu bevollmächtigen.

Weitere Änderungen bei der Einkommensteuer

Eine Vielzahl kleinerer Änderungen haben vielfach klarstellende Wirkung oder stellen Reaktionen auf die Rechtsprechung dar. So sind folgende Regelungen weitestgehend bereits mit Verkündung des Gesetzes, also schon im Veranlagungszeitraum 2019 anzuwenden:

  • Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8a EStG sind Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder, die von inländischen Gerichten und von der EU festgesetzt werden, nicht abzugsfähig. Das Gesetz weitet das Abzugsverbot auf in anderen Mitgliedstaaten der EU nach dem 31.12.2018 festgesetzte Strafen aus.
  • Zinsen auf hinterzogene Steuern nach § 235 AO dürfen den Gewinn nicht mindern. In das Betriebsausgabenabzugsverbot werden nun die auf Zinsen für hinterzogene Steuern anzurechnenden Nachzahlungszinsen einbezogen, soweit sie nach dem 31.12.2018 festgesetzt wurden.
  • Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für das eigene Kind, die von den Erziehungsberechtigten wirtschaftlich als Bar- oder Sachunterhalt getragen werden, sind bei Letzteren als Sonderausgaben zu berücksichtigen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG).
  • Mit einer Änderung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG wird die bisherige Verwaltungsauffassung festgeschrieben, dass auch eine land- und forstwirtschaftlich, freiberuflich oder vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft in vollem Umfang gewerbliche Einkünfte bezieht, wenn sie daneben nur negative gewerbliche (Beteiligungs-)Einkünfte erzielt.
  • Nach § 32d Abs. 3 S. 1 EStG sind steuerpflichtige Kapitalerträge, die nicht der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, in der Einkommensteuererklärung anzugeben. Die Regelung wird insoweit klarstellend ergänzt, dass eine Pflichtveranlagung bei Kapitaleinkünften ohne Steuerabzug auch für Arbeitnehmer durchzuführen ist.
  • Nach der Neufassung des § 17 Abs. 2a EStG sollen Darlehensverluste zu den nachträglichen Anschaffungskosten gehören, wenn bereits die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen bei einer Krise der darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Hiermit soll sichergestellt werden, dass solche Darlehensverluste – abweichend von BFH-Urteilen aus 2017 und 2018 – auch dann gewinnmindernd zu berücksichtigen sind, wenn das Darlehen nach den Grundsätzen des MoMiG zu behandeln ist.

Hinweis:
Ursprünglich vorgesehene Verschärfungen des § 20 Abs. 2 EStG – insbesondere der durch den Ausfall einer Kapitalforderung oder die Ausbuchung einer Aktie entstandene Verlust sollte steuerlich unbeachtlich sein – sind im jetzt beschlossenen Gesetz zwar nicht mehr enthalten. Dem Vernehmen nach soll dies aber im kommenden Jahr umgesetzt werden. Steuerpflichtige können auf die drohende Verschlechterung der Rechtslage z. B. durch den Verkauf von Darlehens- oder Gesellschafterforderungen noch 2019 reagieren. Der BFH hat mit Urteilen vom 11.12.2018 (VIII R 21/15) und 12.06.2018 (VIII R 32/16) entschieden, dass die Veräußerung von wertgeminderten Kapitalforderungen nach der aktuellen Rechtslage möglich ist und zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust führt.

Änderung bei der Gewerbesteuer

Der Gesetzgeber reagiert auf die Entscheidung des EuGHs vom 20.09.2018 (RS EV, C-685/16), wonach die erhöhten Anforderungen des § 9 Nr. 7 GewStG an das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg in Drittstaatenfällen unionsrechtswidrig sind. Die Regelung unterscheidet deshalb ab 2020 nicht mehr danach, ob es sich um eine Gesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im EU-Ausland oder im übrigen Ausland handelt.

Änderungen bei der Umsatzsteuer

Bei der Umsatzsteuer enthält das Gesetz im Schwerpunkt die Umsetzung europäischer Vorgaben (u. a. die sog. Quick Fixes) ab 2020:

• Eine innergemeinschaftliche Lieferung knüpft ab 2020 zum einen an die weitere Voraussetzung an, dass der Abnehmer im anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasst ist (§ 6a Abs. 1 S. 1). Zum anderen bildet die Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Abnehmer eine zusätzliche materiellrechtliche Voraussetzung für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Die Steuerfreiheit kann schließlich versagt werden, wenn der liefernde Unternehmer der Verpflichtung über eine zusammenfassende Meldung nicht, nicht richtig oder nicht gänzlich nachkommt (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG).

• Die neue Regelung des § 3 Abs. 6a UStG definiert das umsatzsteuerliche Reihengeschäft ab 2020. Danach liegt ein solches vor, wenn mehrere Lieferungen über denselben Gegenstand ausgeführt werden und der Liefergegenstand dabei im Rahmen der Beförderung oder Versendung aus einem Mitgliedstaat direkt zum letzten Abnehmer in einen anderen Mitgliedstaat gelangt. Grundsätzlich ist die Transportverantwortlichkeit einer Lieferung demjenigen zuzuordnen, der den Gegenstand der Lieferung versendet oder befördert.

• Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Warenlieferungen, die über ein sog. Konsignationslager abgewickelt werden, das sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet, wird in Deutschland erstmals ab 2020 eine gesonderte gesetzliche Regelung (§ 6b UStG) getroffen. Die Warenlieferung wird beim liefernden Unternehmer vielmehr einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellt und seitens des Erwerbers als innergemeinschaftlicher Erwerb besteuert. Voraussetzungen sind u. a., dass der liefernde Unternehmer, der im Bestimmungsland keinen Sitz hat, bei Beförderungsbeginn Kenntnis über den vollständigen Namen sowie die vollständige Anschrift des Erwerbers hat und die Lieferung an den Abnehmer innerhalb von zwölf Monaten erfolgt.

• In § 25f UStG wird ab 2020 eine Regelung zur Ablehnung von Steuerbefreiungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und des Vorsteuerabzugs aus Eingangsrechnungen, aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb sowie aus Leistungen i. S. d. § 13b UStG (Reverse-Charge) eingeführt, soweit der Unternehmer wissentlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt war. Wissentlich bedeutet, dass der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich an einem Umsatz beteiligt, der in einer Umsatzsteuerhinterziehung oder einem unrechtmäßigen Vorsteuerabzug einbezogen war.

• Die durch die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie gewährte Option zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Erzeugnisse für Zwecke der Monatshygiene wird ab 2020 auch im deutschen Recht in Anspruch genommen.

Gleichfalls wird für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften in elektronischer Form wie auch Hörbücher der ermäßigte Steuersatz von derzeit 7 % gelten (§ 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG). Zudem wird auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten, begünstigt.

Hinweis:

Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen (§ 4 Nr. 21, 22 UStG) zur Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen sind in der verabschiedeten Gesetzesfassung nicht mehr enthalten. Die erforderliche Neuregelung der Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen bedarf angesichts der Komplexität der Thematik, der Vielzahl möglicher Betroffener und der unterschiedlichen Interessenlage der Bildungseinrichtungen noch einer weiteren, vertieften Erörterung.