Abfärbung von Verlusten aus gewerblicher Tätigkeit

Übt eine OHG, KG oder andere Personengesellschaft neben ihrer eigentlichen nicht gewerblichen auch eine originär gewerbliche Betätigung aus, gilt ihre Tätigkeit in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 EStG). Nach gefestigter BFH-Rechtsprechung unterbleibt eine solche Abfärbung der gewerblichen auf die übrige Betätigung der Personengesellschaft in bestimmten Bagatellfällen: Die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse dürfen 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse (relative Grenze) und zugleich den Höchstbetrag von EUR 24.500 im Veranlagungszeitraum (absolute Grenze) nicht übersteigen. Eine im Dezember 2019 eingefügte Regelung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 EStG) stellt zudem klar, dass es für die Abfärbung irrelevant ist, ob hieraus Gewinne oder Verluste erzielt werden. Diese ergänzende Regelung ist auch für Veranlagungszeiträume vor 2019 anzuwenden (§ 52 Abs. 23 S. 1 EStG). Der BFH hatte in seinem Urteil vom 30.06.2022 (Az. IV R 42/19) zu entscheiden, ob die Grundsätze zur Abfärbung, Bagatellgrenze und Neuregelung auch für eine vermögensverwaltende GbR greifen.

Im Streitfall erklärte eine vermögensverwaltende GbR für das Jahr 2012 einerseits negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. EUR 19.775 sowie andererseits gewerbliche Verluste i.H.v. EUR 6.651 aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage. Die Gesamtnettoumsatzerlöse beliefen sich auf EUR 113.484, wovon auf den Betrieb der Photovoltaikanlage Nettoumsatzerlöse i.H.v. EUR 8.472 (= 7,46 %) entfielen. Das Finanzamt qualifizierte die Verluste insgesamt als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Denn die GbR habe mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, die auf die im Übrigen vermögensverwaltende Tätigkeit „abgefärbt“ habe. Im anschließenden Klageverfahren bestätigten das erstinstanzliche Finanzgericht und der BFH die Auffassung des Finanzamts.

Nach der im Dezember 2019 eingefügten Regelung ist die vermögensverwaltende Betätigung der GbR auch bei einem im gewerblichen Bereich erzielten Verlust im Wege der Abfärbung insgesamt als gewerbliche Betätigung zu qualifizieren. Denn hierfür ist (wie bisher) nur Voraussetzung, dass es sich um eine eigenständige gewerbliche Tätigkeit handelt, die von mindestens einer weiteren Tätigkeit der Personengesellschaft, die isoliert betrachtet zu einer anderen Einkunftsart führen würde und auf die sich die Abfärbung auswirken soll, getrennt werden kann. Dies ist vorliegend gegeben. Denn die GbR konnte ohne Weiteres ihre vermögensverwaltende Tätigkeit ohne die Stromerzeugung durch die Photovoltaikanlage ausüben und umgekehrt. Die frühere BFH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2018, wonach Verluste aus einer originär gewerblichen Betätigung nicht zur Umqualifizierung der vermögensverwaltenden Betätigung einer GbR führten, ist damit überholt. Es ist verfassungsrechtlich zudem nicht zu beanstanden, dass die Neuregelung auch für Veranlagungszeiträume vor 2019 anwendbar ist.

Die vom BFH entwickelte Bagatellgrenze (max. 3 % originär gewerbliche Nettoumsatzerlöse und max. EUR 24.500 absolut) gilt auch nach Einfügung der Neuregelung. Denn die Neuregelung stellt lediglich klar, dass die abfärbende Wirkung durch die gewerbliche Betätigung und nicht durch das hieraus erzielte positive oder negative Ergebnis ausgelöst wird. Dabei ist für eine gemischt tätige vermögensverwaltende GbR weder eine höhere Bagatellgrenze anzusetzen noch kann auf die relative Grenze verzichtet und nur die absolute Grenze von EUR 24.500 angewendet werden. Im Streitfall überschritt die GbR die (relative) Bagatellgrenze mit der Folge, dass sie insgesamt eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hatte.

Hinweis:

Die Rechtsfolge der Abfärbung kann durch Gründung einer personengleichen Schwesterpersonengesellschaft vermieden werden, auf die die gewerbliche Tätigkeit ausgegliedert wird. Damit können allerdings weitergehende Fragestellungen zur mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung oder zum Ansatz von Sonderbetriebsvermögen verbunden sein. Im Hinblick auf die im Streitfall auslösende Abfärbewirkung durch den Betrieb einer Photovoltaikanlage sind im JStG 2022 mit der Ertragsteuerbefreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen Erleichterungen vorgesehen.