Maßgeblichkeit nach dem Inkrafttreten des BilMoG

Der BFH hat mit Urteil vom 20.11.2019 (Az. XI R 46/17) die bislang noch offene Frage entschieden, ob auch nach Inkrafttreten des BilMoG vom 25. Mai 2009 (BGBl. 2009, 1102) der Handelsbilanzwert einer Rückstellung gegenüber einem höheren steuerrechtlichen Rückstellungswert die Obergrenze bildet.

Eine GmbH hatte für Verpflichtungen zur Rekultivierung von Abbaugrundstücken in ihrer Handelsbilanz zum 31.12.2010 eine Ansammlungsrückstellung von knapp EUR 300.000 gebildet und dabei geschätzte Kostensteigerungen berücksichtigt sowie eine Abzinsung vorgenommen. Den Wert für die Steuerbilanz berechnete sie mit rund EUR 330.000, da zutreffenderweise zwar keine Kostensteigerungen angesetzt, aber auch keine Abzinsung vorgenommen wurde (vgl. BMF-Schreiben vom 09.12.1999).

Das Finanzamt kürzte im Zuge einer Außenprüfung unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG die Ansammlungsrückstellung auch für die Steuerbilanz auf den niedrigeren Handelsbilanzwert von knapp EUR 300.000. Finanzgericht und auch BFH bestätigten diese Entscheidung. Die Gesellschaft konnte sich also nicht mit der Auffassung durchsetzen, dass sich mit dem BilMoG die Maßgeblichkeit geändert habe und ein eigenes steuerrechtliches Bewertungssystem eingeführt worden sei.

Für Zeiträume vor Inkrafttreten des BilMoG – also bis 2009 – war höchstrichterlich mehrfach entschieden, dass die im Einleitungssatz des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG enthaltene Regelung (Rückstellungen sind „höchstens insbesondere“ mit den Beträgen nach den Grundsätzen in Buchst. a bis f anzusetzen) dazu führt, dass die sich steuerlich ergebenden Rückstellungsbeträge den zulässigen Ansatz nach der Handelsbilanz nicht überschreiten dürfen. Dies bleibt unter Berücksichtigung des objektivierten Willens des Gesetzgebers auch nach Inkrafttreten des BilMoG unverändert.

Die wörtliche Auslegung des Einleitungssatzes „höchstens insbesondere“ führt nach den Ausführungen des BFH nicht zu einer Durchbrechung der Maßgeblichkeit. Der Wortlaut lässt vielmehr einen Wortsinn zu, der einen Betrag unterhalb des aufgrund handelsrechtlicher (oder steuerrechtlicher) Bewertungsvorschriften ermittelten Rückstellungsbetrags erfasst. Mit dem Wortzusatz „insbesondere“ hat der Gesetzgeber gerade zum Ausdruck gebracht, dass es weitere Obergrenzen gibt.

Auch die Begründung zum maßgeblichen Gesetzentwurf führt aus, dass ein niedriger handelsrechtlicher Wert zugrunde zu legen ist. In der BT-Drs. 14/443, 23 heißt es: „Ist der Ausweis für die Rückstellung in der Handelsbilanz … niedriger als der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ergebende Ausweis, so ist der Ausweis in der Handelsbilanz für die Steuerbilanz maßgebend.“

Die systematische Auslegung führt ebenfalls zum Höchstansatz des handelsrechtlichen Bilanzwertes. Die handelsrechtliche Maßgeblichkeit hat sich mit dem BilMoG zwar verändert. Dennoch ist § 5 Abs. 1 S. 1 EStG nach dem BilMoG dahingehend zu verstehen, dass die bestehende handelsrechtliche Maßgeblichkeit für die Steuerbilanz nur dann und nur insoweit durchbrochen wird, als der Gesetzgeber steuerrechtliche Ansatz- oder Bewertungsvorbehalte festgeschrieben hat (§ 5 Abs. 6 EStG). Da durch den „Höchstens insbesondere“-Verweis der Bezug zur handelsrechtlichen Bewertung also weiterhin bestehen bleiben sollte, ist insoweit unerheblich, dass die Steuerbilanz durch das BilMoG gegenüber der Handelsbilanz im Übrigen deutlich verselbständigt wurde.

Dieses Ergebnis bestätigt auch der Regelungszweck von § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG, der realitätsnähere Bewertungen von Rückstellungen erreichen soll. Dem wird auch der Bezug zum Maßgeblichkeitsgrundsatz gerecht, wenn der handelsrechtliche Wert der Rückstellung niedriger ist als der steuerrechtliche.

Hinweis:

Mit dem Urteil bestätigte der BFH die überwiegende Literaturauffassung wie auch die von der Finanzverwaltung in R 6.11 Abs. 3 S. 1 EStR vertretene Rechtsauffassung.

Entsprechende Gewinnauswirkungen aus der erstmaligen Anwendung des BilMoG können durch Bildung einer gewinnmindernden Rücklage über einen Auflösungszeitraum von 15 Jahren abgemildert werden (R 6.11 Abs. 3 S. 2 EStR). Dies hat das Finanzamt im Streitfall zugunsten der betroffenen Gesellschaft auch so vorgenommen.