Nießbrauchsgemeinschaft ist einseitig nicht auflösbar

Im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge übertragen Eltern oftmals Vermögenswerte, insbesondere (vermietete) Immobilien auf ihre Kinder, behalten sich aber den Nießbrauch daran vor (sog. Vorbehaltsnießbrauch). Bei mit schenkungsteuerlicher Wirkung übergehender Vermögenssubstanz können die Eltern damit ihre eigene Versorgung durch die ihnen zustehenden Nutzungen (z. B. Mieteinnahmen oder unentgeltliche Selbstnutzung) sichern. Zudem können mit einem Vorbehaltsnießbrauch ertragsteuerliche Progressionsvorteile erreicht, erbschafsteuerliche Freibeträge genutzt sowie künftige Wertzuwächse von der Erbschaftsteuer verschont werden.

Welche Probleme ein Nießbrauch aber auch nach Jahren noch mit sich bringen kann, zeigt der vom BGH mit Urteil vom 06.03.2020 (Az. V ZR 329/18) entschiedene Fall. Die Eheleute waren zunächst je hälftig Miteigentümer eines mit vermieteten Immobilien bebauten Grundstücks. Dieses hatten sie 1995 auf ihre Kinder übertragen und sich dabei einen unentgeltlichen lebzeitigen Nießbrauch „als Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB“ vorbehalten. Der Nießbrauch sollte bei Tod eines Ehepartners dem Überlebenden vollständig allein zustehen und erst mit dem Tode des letztversterbenden Berechtigten enden. Als jedoch die Ehe geschieden wurde, verlangte der Mann von der Frau, zum Zwecke der Auflösung der Gemeinschaft am Nießbrauch, die „Zwangsversteigerung unter den Beteiligten“ zu dulden. Dies wies der BGH ab.

Einem Anspruch des geschiedenen Ehemanns auf Versteigerung des Nießbrauchs unter den Teilhabern steht vor allem Sinn und Zweck der seinerzeit zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung entgegen, einen lebenslangen Nießbrauch für beide zu begründen. Dies gilt nicht nur, wenn sich mehrere Verfügende jeweils einen selbstständigen Nießbrauch vorbehalten, zu ihren Gunsten also zwei gleichrangige Nießbrauchrechte nebeneinander bestellt werden, sondern auch dann, wenn sie sich – wie im Streitfall – den Nießbrauch gemeinschaftlich als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB vorbehalten. Die Gesamtberechtigten bilden in diesem Fall zwar eine Befriedigungsgemeinschaft. Ihnen steht aber jeweils ein eigener Anspruch auf die ganze Leistung zu.

Eine vorzeitige Beendigung des Nießbrauchs ist gesetzlich nicht vorgesehen, und auch eine Kündigung aus wichtigem Grund („Treu und Glauben“, § 242 BGB) kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Kündigungsmöglichkeit – was im Streitfall nicht geschehen war – ausdrücklich vereinbart wurde.

Selbst dass die Gesamtberechtigten untereinander zerstritten oder einem von ihnen schwere Verfehlungen gegenüber dem anderen anzulasten sein sollten, führt nicht zu einem Aufhebungsanspruch. Denn dies betrifft nicht die Gesamtberechtigung am Nießbrauch als solchem, sondern nur das Verhältnis der Gesamtgläubiger untereinander.

Hinweis:
An einer Nießbrauchsgestaltung Beteiligte sollten von Anfang an vorsorglich Einigung über die Auflösungsmodalitäten ihrer Gemeinschaft erzielen und entsprechende Vereinbarungen ausdrücklich in das Vertragswerk aufnehmen. Dies wird aber dadurch erschwert, dass die zivilrechtlichen Regelungen des Nießbrauchs lückenhaft sind und die Nießbrauchsbestellung gleichzeitig in einer steuerartenübergreifenden Sichtweise zu beurteilen ist. Zudem bestehen in beiden Bereichen noch offene Fragen. Auch ist die erbschaft- und schenkungsteuerliche Beurteilung durch die neuen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen nicht gerade einfacher geworden. Zudem können Verzichte auf Nießbräuche zu schenkungsteuerlichen Konsequenzen führen, die es im Vorfeld zu überprüfen gilt. Eine Beratung durch Spezialisten ist deshalb dringend anzuraten.