Vorweggenommene Erbfolge: Schädlichkeit einer zeitgleichen Veräußerung

Eine möglichst steueroptimierte Unternehmensnachfolge wirft die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen Mitunternehmeranteile zu Buchwerten auf einen potenziellen Nachfolger übertragen werden können. Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ist die unentgeltliche Übertragung von Mitunternehmeranteilen mit anknüpfendem Buchwertprivileg i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG von besonderer Bedeutung. Der BFH hatte nun in seinem Urteil vom 10.09.2020 (Az. IV R 14/18) die Frage zu klären, ob ein an Dritte zeitgleich vorgenommener Verkauf von funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen einer unentgeltlichen Übertragung i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG entgegensteht.

Im Streitfall bestand eine Betriebsaufspaltung zwischen einer GbR als Besitzgesellschaft und einer GmbH als Betriebsgesellschaft. An beiden Gesellschaften waren C mit rund 75 % und D mit rund 25 % beteiligt. Mit Notarvertrag vom 17.12.2013 übertrug C ihren vollen Miteigentumsanteil an der GbR im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf ihren Sohn F, ihre GmbH-Anteile jedoch nur in Höhe von 30 %. Mit weiterem Notarvertrag vom 17.12.2013 verkaufte C die restlichen GmbH-Anteile an D (nach Anteilsübertragung: 48 %) und an dessen Bruder G (nach Anteilsübertragung: 22 %).

Das Finanzamt sah in dem gesamten Vorgang die Aufgabe des Mitunternehmeranteils der C und unterwarf alle stillen Reserven der Besteuerung; das Buchwertprivileg i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG für die Übertragung des Mitunternehmeranteils an der GbR schied danach aus, weil nicht alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen – namentlich die GmbH-Anteile – unentgeltlich auf den Sohn übertragen wurden. Der BFH kam in seinem Urteil zum gleichen Ergebnis und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und exakten Bestimmung der relevanten Übertragungszeitpunkte an das FG Düsseldorf zurück.

Der BFH stellt in seiner Urteilsbegründung streng auf die zeitliche Reihenfolge der Übertragungsgeschäfte ab. Dabei ist nicht das am Tag, sondern das im Zeitpunkt der Übertragung vorhandene Betriebsvermögen entscheidungserheblich. So ist es grundsätzlich unschädlich, wenn vor Übertragung des (verbliebenen) Mitunternehmeranteils eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage durch Veräußerung an Dritte oder Überführung in das Privatvermögen ausgeschieden ist. Werden hingegen funktional wesentliche Betriebsgrundlagen kurz nach Übertragung des Mitunternehmeranteils – auch nur eine juristische Sekunde später – an Dritte veräußert oder in das Privatvermögen überführt, ist der Aufgabetatbestand betreffend den gesamten Mitunternehmeranteil erfüllt. Infolgedessen sind dann auch hinsichtlich der unentgeltlichen Übertragung des verbleibenden Mitunternehmeranteils im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge die stillen Reserven – gewissermaßen nach dem „Alles oder Nichts“-Prinzip – aufzudecken.

Schließlich stellt der BFH klar, dass für die zeitliche Reihenfolge mehrerer Übertragungen der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums maßgebend ist, was nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu beurteilen ist. Durch das FG Düsseldorf wird daher noch der exakte zeitliche Ablauf hinsichtlich der taggleich vorgenommenen Übertragungen zu ermitteln sein. Es kann sich folglich als nachteilig erweisen, dass die Veräußerung der GmbH-Anteile in einem der vorweggenommenen Erbfolge nachfolgenden Notarvertrag festgehalten wurde.

 

Hinweis:

Wird im Rahmen des sog. „Ausgliederungsmodells“ eine vorweggenommene Erbfolge damit verbunden, dass zeitgleich eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage in ein anderes Betriebsvermögen überführt oder übertragen wird, ist dies für das Buchwertprivileg i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG nach der einschlägigen BFH-Rechtsprechung unschädlich.

Sollen im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge hingegen funktional wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert werden, ist man gut beraten, dies mindestens einen Tag vor der unentgeltlichen Anteilsübertragung zu veranlassen.