Auf die Plätze – fertig – los: OSS-Verfahren kommt!

Mit dem JStG 2020 wurden in Deutschland die Grundlagen geschaffen, um das von der EU beschlossene Mehrwertsteuer-Digitalpaket mit Änderungen zum Versandhandel/Fernabsatz umzusetzen und damit auch den One-Stop-Shop (OSS) einzuführen. Das Verfahren des OSS soll es dabei Unternehmern, die grenzüberschreitende Lieferungen oder Dienstleistungen ausführen, ermöglichen, ihre umsatzsteuerlichen Deklarationspflichten über eine zentrale Anlaufstelle zu erfüllen.

Wer kann das OSS-Verfahren nutzen?

  1. Unternehmer aus Deutschland, die bestimmte Dienstleistungen an Nicht-Unternehmer (B2C) in der EU erbringen

Unternehmer, die elektronische Dienstleistungen erbringen, konnten bereits das Mini-One-Stop-Shop (MOSS)-Verfahren nutzen. Ihre Registrierung zum MOSS wird im OSS fortgesetzt.

Der Anwendungsbereich wird durch das Digitalisierungspaket aber auf weitere Dienstleistungen ausgeweitet, wenn diese an Nichtunternehmer erbracht werden und sich der Leistungsort im Gemeinschaftsgebiet befindet. Damit können Unternehmer mit Sitz in Deutschland das OSS-Verfahren nutzen, wenn sie z.B. grenzüberschreitende Personenbeförderungen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen an Nichtunternehmer vornehmen, Grundstücks-, Restaurations-, Vermittlungs- oder Veranstaltungsleistungen oder kulturelle und unterhaltende Dienstleistungen ausführen, Arbeiten an beweglichen Gegenständen und deren Begutachtung durchführen sowie Beförderungsmittel langfristig vermieten.

  1. Unternehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die bestimmte Dienstleistungen an Nicht-Unternehmer (B2C) in der EU erbringen

Unternehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die elektronische Dienstleistungen erbringen, konnten bereits das MOSS-Verfahren in ihrem Land nutzen. Auch für sie wird der Anwendungsbereich durch OSS ausgedehnt. Eine Teilnahme am OSS-Verfahren ist über den jeweiligen EU-Mitgliedstaat, nicht jedoch über das deutsche BZSt möglich.

  1. Unternehmer aus Drittländern, die bestimmte grenzüberschreitende Dienstleistungen an Nicht-Unternehmer (B2C) in der EU erbringen

Unternehmer mit Sitz außerhalb der EU können sich – sofern sie entsprechende Dienstleistungen an Nicht-Unternehmer mit (Wohn-)Sitz in der EU erbringen, in einem EU-Mitgliedstaat für das OSS-Verfahren registrieren und hierüber die Umsätze für sämtliche EU-Mitgliedstaaten melden. Der Unternehmer hat vor Beginn des Besteuerungszeitraums, ab dem OSS genutzt werden soll, seine Teilnahme am OSS-Verfahren anzuzeigen.

Dienstleistungen, für die das OSS-Verfahren genutzt werden kann, sind auch hier elektronische Dienstleistungen, grenzüberschreitende Personenbeförderungen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen an Nichtunternehmer, Grundstücks-, Restaurations-, Vermittlungs- oder Veranstaltungsleistungen oder kulturelle und unterhaltende Dienstleistungen, Arbeiten an beweglichen Gegenständen und deren Begutachtung sowie die langfristige Vermietung von Beförderungsmitteln.

  1. Unternehmer aus Deutschland, die Fernverkäufe an Abnehmer (B2C) in der EU tätigen

Die ab 1. Juli 2021 geltenden Regelungen zu den Fernverkäufen lösen die bisherigen Regelungen im sog. Versandhandel ab. Betroffen sind daher insbesondere Unternehmer, die ihre Waren versenden (z.B. Online-Handel). Zu beachten ist, dass die Lieferschwellen für Versandhandelsgeschäfte ab dem 1. Juli 2021 entfallen und durch eine Geringfügigkeitsschwelle in Höhe von 10.000 Euro (kumulativ für alle EU-Länder) abgelöst werden.

  1. Unternehmer aus Deutschland, die Lieferungen mittels ihrer elektronischen Schnittstelle unterstützen (elektronische Handelsplattformen)

Mit dem Digitalpaket wird nicht nur die Haftung sog. Marktplatzbetreiber neu geregelt, vielmehr werden diese Unternehmer (fiktiv) in eine Lieferkette einbezogen. Der Anwendungsbereich wird zudem auf solche Unternehmer ausgeweitet, die den Abschluss des Verkaufs-/Kaufgeschäfts durch eine elektronische Plattform unterstützen. Insbesondere Vermittlungsplattformen werden daher künftig zu Lieferanten im umsatzsteuerlichen Sinn, die entsprechende Lieferungen melden müssen. Auch für diese Unternehmer steht die Nutzung des OSS-Verfahrens offen.

  1. Unternehmer aus Drittländern, die Fernverkäufe an Abnehmer (B2C) in der EU ausführen, wobei die Sendungen einen Sachwert von 150 Euro nicht überschreiten

Unternehmer aus Drittländern, die Fernverkäufe im B2C-Bereich an Kunden in der EU ausführen, können ebenfalls das OSS-Verfahren nutzen, um ihre Umsätze zu melden. Die Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro ist steuerfrei, wenn der Ausgangsumsatz im OSS gemeldet wird und die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind.

Die Teilnahme am OSS kann nur einheitlich für alle EU-Mitgliedstaaten gewählt werden, wobei die Teilnahme an OSS über einen EU-Mitgliedstaat erfolgt. Sofern ein Drittlands-Unternehmer keinen Gebrauch vom OSS-Verfahren macht, kann die Abwicklung der Einfuhrumsatzsteuer über den sogenannten gestellenden Dienstleister (z.B. ein Paketdienstleister) abgewickelt werden.

Was ist OSS und welche Voraussetzungen sind zu erfüllen?

Durch die Teilnahme am One-Stop-Shop-Verfahren können Unternehmer ihre Meldepflichten für die betroffenen Mitgliedstaaten im Staat ihrer Ansässigkeit abwickeln. In Deutschland erfolgt dies über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).

Wenn Unternehmer mit ihren Leistungen die Voraussetzungen zur Teilnahme am OSS-Verfahren erfüllen, können sie sich daher beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) entsprechend registrieren. Die Registrierungspflicht in anderen EU-Mitgliedstaaten entfällt dadurch und damit auch der Aufwand, der für die Deklaration in den jeweiligen Ländern anfällt. Die damit einhergehende finanzielle und administrative Entlastung der Unternehmer erstreckt sich auch darauf,

  • dass Versandhändler nicht mehr die Überschreitung von Lieferschwellen pro Land zu überwachen haben und
  • dass weitere Verpflichtungen in anderen EU-Mitgliedstaaten, die mit einer bestehenden Registrierungspflicht verbunden sind, entfallen (z.B. entfällt nach einer Deregistrierung in Litauen die Verpflichtung, Rechnungen zum ISAF-Register zu melden).

Zu beachten ist, dass die Wahl zur Teilnahme am OSS einheitlich für alle EU-Länder zu erfolgen hat, in denen der Unternehmer steuerpflichtige Umsätze ausführt („alle oder keiner“).

Zu beachten ist auch, dass das OSS-Verfahren nicht genutzt werden kann für

  • die Lieferung neuer Fahrzeuge,
  • die Lieferung eines Gegenstands, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird,
  • für die Lieferung eines Gegenstands, auf die die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG angewendet wird und
  • für die Lieferungen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren.

Besteuerungszeitraum ist wie beim bisherigen MOSS-Verfahren ein Quartal. Die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen über OSS läuft jeweils zum Ende des Monats aus, der auf das Quartal als Besteuerungszeitraum folgt. In der Steuererklärung hat der Unternehmer die Steuer selbst zu berechnen und die berechnete Steuer bis zum letzten Tag der Frist zu entrichten.

Können Vorsteuererstattungen mittels OSS-Verfahren beantragt werden?

Die Beantragung der Erstattung von Vorsteuerbeträgen aus anderen Ländern ist über das OSS-Verfahren nicht möglich. Hier ist ein entsprechender Antrag im Vorsteuervergütungsverfahren erforderlich, welches ebenfalls über das BZSt abgewickelt wird.

Vorausschauend handeln: auf OSS vorbereiten!

Die Nutzung des OSS in Deutschland setzt eine Registrierung beim BZSt voraus. Der Registrierungsantrag kann bereits ab April 2021 mit Wirkung zum Starttermin am 1. Juli 2021 gestellt werden. Eine spätere Registrierung ist zwar möglich, sie wirkt jedoch ausschließlich für Besteuerungszeiträume nach der Registrierung. Die Antragstellung erfolgt über das BZSt Online-Portal. Unternehmer, die bereits den Mini-One-Stop-Shop nutzen, müssen sich nicht erneut registrieren.

Neben der Registrierung beim BZSt sollten Unternehmer – sofern nicht ohnehin schon vorgehsehen – ihr ERP-System so anpassen, dass Umsätze nach einzelnen Ländern getrennt ermittelt werden können (ggf. Einrichtung von Unterkonten oder gesonderten Steuerschlüsseln).

Auch lohnt sich bereits jetzt zu prüfen, ob Deregistrierungen in anderen EU-Ländern möglich sind oder aus anderen Gründen eine Registrierung (weiterhin) aufrechterhalten werden muss. Ggf. können Deregistrierungen in anderen EU-Mitgliedstaaten bereits jetzt angestoßen werden.