Referentenentwurf „Jahressteuergesetz 2020“

Das Bundesministerium der Finanzen hat Mitte Juli 2020 einen umfangreichen Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) veröffentlicht. Eine Vielzahl der Änderungen resultiert aus dem Unionsrecht, der Rechtsprechung des EuGH und BFH sowie dem Einfluss der COVID-19-Pandemie. Nachfolgend haben wir für Sie die wichtigsten Änderungen aus dem umfangreichen Gesetzespaket zusammengefasst:

Einkommensteuer
Investitionsabzugsbetrag § 7g EStG
Der Investitionsabzugsbetrag ermöglicht eine – ausschließlich steuerrechtliche – Vorverlagerung von Abschreibungspotenzial in Wirtschaftsjahre vor Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsgutes für kleinere Unternehmen. Zusätzlich kann bei Anschaffung eine Sonderabschreibung geltend gemacht werden. Die bisher bestehenden strengen Voraussetzungen sollen für Wirtschaftsjahre nach dem 31.12.2019 wie folgt gelockert werden:

  • Der Investitionsabzugsbetrag soll ab 2020 von bisher 40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf 50 % erhöht werden.
  • Das Wirtschaftsgut musste bisher ausschließlich oder fast ausschließlich (mithin zu mindestens 90 %) betrieblich genutzt werden; ab 2020 soll eine betriebliche Nutzung von mehr als 50 % ausreichen. Die Nutzung ist zeitraum- und nicht wirtschaftsjahrbezogen zu prüfen.
  • Bisher gelten für die einzelnen Einkunftsarten unterschiedliche Betriebsgrößenmerkmale. Künftig soll eine einheitliche Gewinngrenze von EUR 125.000 gelten.

Hinweis:
Der erhöhte Investitionsabzugsbetrag sowie die Sonderabschreibung erscheinen zunächst als wirksame Maßnahme zur Minderung des steuerlichen Gewinns. Allerdings verringert sich das steuerliche Abschreibungsvolumen für die Folgejahre, sodass grundsätzlich nur eine zeitliche Verlagerung der Besteuerung erfolgt.

Zusätzlichkeitsvoraussetzung bei Arbeitgeberleistungen
Sachbezüge oder Zuschüsse sind oftmals nur steuerfrei, wenn sie „zusätzlich“ zum Arbeitslohn erbracht werden. Die genaue Definition, wann eine Arbeitgeberleistung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erfolgt, soll nun ab dem Lohnzahlungszeitraum 2020 erstmalig gesetzlich normiert werden (§ 8 Abs. 4 EStG-E), nachdem der BFH eine sehr steuerzahlerfreundliche Sichtweise eingenommen hatte.

Zusätzlich ist eine Arbeitgeberleistung demnach nur, wenn

  • sie nicht auf den Arbeitslohn angerechnet,
  • der Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  • sie nicht für eine bereits vereinbarte künftige Erhöhung gewährt und
  • bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Mit der Norm soll klargestellt werden, dass nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt sind. Darunter können bestimmte einkommensteuerfreie und pauschalbesteuerte Arbeitgeberleistungen fallen, wie z. B. Zuschüsse für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, Zuschüsse zu Kinderbetreuungskosten, Gesundheitsförderung, die Überlassung eines Fahrrads oder die Anwendung der 44-Euro-Freigrenze bei Gutscheinen und Geldkarten.

Hinweis:
In der Praxis herrscht bei der richtigen Einordnung einer echten steuerbegünstigten Zusatzleistung viel Verunsicherung. Es stellt sich die Frage, ob ein Sachbezug oder eine Geldleistung vorliegt. Klarheit soll ein bislang lediglich als unveröffentlichter Entwurf vorliegendes BMF-Schreiben schaffen. Dessen Regelungen sollen jedoch bereits ab dem Lohnzahlungszeitraum 2020 anwendbar sein. Diese Rückwirkung könnte für viele Arbeitgeber einen erhöhten Korrekturbedarf bedeuten.

Kapitalforderungen
Der Begriff der Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG soll erweitert werden. Zukünftig sollen auch Erträge aus Forderungen erfasst werden, bei denen anstatt der Rückzahlung des geleisteten Geldbetrags eine Sachleistung gewährt wird oder werden kann. Dadurch sollen auch Erträge aus Kapitalanlagen in die Steuerpflicht einbezogen werden, die z. B. auf die Lieferung
von Gold oder anderen Edelmetallen gerichtet und wirtschaftlich mit Zertifikaten vergleichbar sind. Diese Anpassung soll ab dem 01.01.2021 gelten.

Verbilligte Wohnraumüberlassung
Beträgt das Entgelt für ein Vermietungsobjekt weniger als 66 % der ortsüblichen Miete, ist derzeit eine Aufteilung der Wohnraumüberlassung in einen entgeltlich und einen unentgeltlich vermieteten Teil vorzunehmen. Nur in Höhe des prozentualen Anteils der entgeltlichen Vermietung kann ein Werbungskostenabzug vorgenommen werden. Nun soll diese Grenze mit Wirkung zum 01.01.2021 auf 50 % verringert werden. Beträgt das Entgelt jedoch zwischen 50 % und 66 % der ortsüblichen Miete, soll eine Prüfung der Totalüberschussprognose vorgenommen werden. Fällt diese positiv aus, ist ein voller Werbungskostenabzug möglich.

Der volle Werbungskostenabzug bei einem Entgelt ab 66 % der ortsüblichen Miete bleibt weiterhin bestehen.

Sonstiges
Daneben sind Anpassungen bei den Sonderausgaben zur Verhinderung der Übermaßbesteuerung bei beschränkt Steuerpflichtigen sowie dem Datenaustausch zwischen Krankenversicherungen, Finanzverwaltung und Arbeitgebern geplant.

Umsatzsteuer
Im Umsatzsteuergesetz soll eine Vielzahl von Anpassungen vorgenommen werden, z. B. Umsetzung des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets, Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens (Umkehr der Steuerschuldnerschaft) auf Telekommunikationsdienstleistungen oder die Änderung der Bemessungsgrundlage hinsichtlich der Einbeziehung von Preisnachnachlässen und Preiserstattungen bei nur mittelbaren Leistungsbeziehungen. Mit Blick auf die ergangene EuGH- und BFH-Rechtsprechung soll zudem auch auf gesetzlicher Ebene klargestellt werden, dass die
Berichtigung einer Rechnung kein rückwirkendes Ereignis im Sinne der Abgabenordnung ist.

Abgabenordnung
Country-by-Country Reporting
Das Reporting soll den Finanzbehörden zusätzliche Informationen zu grenzüberschreitenden Konzernstrukturen verschaffen. Im nationalen Recht ist die Norm in § 138a AO umgesetzt. Durch das JStG 2020 soll der Zusatz „ausgehend vom Konzernabschluss des Konzerns“ gestrichen werden (§ 138a Abs. 2 Nr. 1 AO-E). Dadurch nähert sich der deutsche Gesetzgeber den Regelungen der OECD-Vorgaben an. Die Folge wäre, dass auch nicht in den Konzernabschluss einbezogene Unternehmen oder Betriebsstätten zukünftig im länderbezogenen Bericht zu berücksichtigen wären.

„Börsenklausel“
Die sog. Börsenklausel soll nun gesetzlich festgehalten werden (§ 138 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchstabe b AO-E). Bislang war der Erwerb oder die Veräußerung von Beteiligungen an Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland über einem Wert von EUR 150.000 dem Finanzamt zu melden. Darauf soll nun verzichtet werden, soweit es sich um börsennotierte Beteiligungen von weniger als 1 % handelt und mit diesen Aktien ein regelmäßiger Handel stattfindet. Dadurch soll die Mitteilungspflicht für eine Reihe von alltäglichen Aktiengeschäften entfallen.

Sonstiges
Ebenso enthält der Entwurf des JStG 2020 Detailanpassungen bei der Investmentbesteuerung, dem Bewertungsrecht, der Grund- und Grunderwerbsteuer sowie im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz.

Hinweis:
Mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens für das JStG 2020 wird in der zweiten Jahreshälfte gerechnet.